26.04.2023 | Faktencheck

Die mehrfache Verlängerung des Covid-19-Gesetzes ist Verfassungskonform

Bereits zweimal wurde über das Covid-19-Gesetz abgestimmt – beide Male sagte die Schweizer Stimmbevölkerung Ja dazu. Wegen der Verlängerung von einigen Gesetzesartikeln, welche im Dezember 2022 beschlossen wurde, wurde zum dritten Mal das Referendum erfolgreich ergriffen. Am 18. Juni 2023 werden die Schweizer Stimmberechtigten über diese Änderungen vom Dezember 2022 an die Urne entscheiden.


Bei der Abstimmung vom 28. November 2021 legten 62 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung ein Ja zur Änderung des Covid-19-Gesetzes  in die Urne – hier bei der Stimmabgabe im Zürcher Stadthaus. Foto: Keystone-SDA / Michael Buholzer
Bei der Abstimmung vom 28. November 2021 legten 62 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung ein Ja zur Änderung des Covid-19-Gesetzes in die Urne – hier bei der Stimmabgabe im Zürcher Stadthaus. Foto: Keystone-SDA / Michael Buholzer
Behauptung

Seitdem das Referendum im Dezember 2022 lanciert wurde, kursierte eine Medienmitteilung der Organisationskomitees. Darin heisst es:


-    Das Covid-19-Gesetz sei aus einem Notfall entstanden und Notgesetze dürften nicht «in einer Endlosschleife verlängert» werden. 
-    Ausserdem mache ein Covid-Zertifikat beim Reisen keinen Unterschied. 
-    Zudem schütze der Impfstoff von Pfizer nicht vor der Weiterverbreitung von Sars-CoV-2.

 

Diese Behauptungen entsprechen gleichzeitig dem Argumentarium des Referendumskomitees

Beurteilung

Dringliche Bundesgesetze können verlängert werden. Die Schweizer Verfassung schreibt dabei weder eine Höchstdauer noch eine Höchstanzahl von Verlängerungen vor.


Länder bestimmen eigenständig über die Einreisebestimmungen und somit auch, ob eine Covid-19-Impfung oder ein Zertifikat erforderlich ist. Mit dem Covid-19-Zertifikat kann den Erhalt einer Covid-19-Imfpung, einer Genesung von Sars-CoV-2 sowie ein negatives Sars-CoV-2-Testresultat nachgewiesen werden. Im Impfausweis werden jedoch lediglich erhaltene Impfungen ausgewiesen.


Mehrere Studien ergaben, dass geimpfte Personen bei einer Corona-Infektion eine niedrigere Viruslast aufwiesen als ungeimpfte.

Sachlage

Dringende Bundesgesetze können mehrfach verlängert werden


«Der Begriff ‘Notgesetz’ existiert in der Verfassung nicht», stellt Jörg Künzli von der Universität Bern auf Anfrage von Keystone-SDA klar. «Dringliche Bundesgesetze» können nach Artikel 165 der Bundesverfassung sofort in Kraft gesetzt werden. Die Mehrheit aller Mitglieder der Bundesversammlung entscheide über die Dringlichkeit eines Gesetzes. Dieser Beschluss sei vor Gericht nicht anfechtbar, erklärt der Professor für Staats- und Völkerrecht.


Dringliche Bundesgesetze sind zu befristen. Wird ein Referendum dagegen ergriffen, muss das Gesetz innerhalb von einem Jahr vom Volk bestätigt worden sein, so Künzli. Ansonsten verliere es seine Gültigkeit.


«Die Verlängerung der Geltungsdauer eines dringlichen Bundesgesetzes ist möglich. Die Verfassung nennt weder Höchstdauer oder Höchstanzahl», erklärt der Professor. Bei weiterem dringlichem Regelungsbedarf kann ein Gesetz also vom Parlament verlängert werden - wobei auch diese Verlängerung zu befristen ist.


Die Mehrheit des Parlamentes sprach sich in der Abstimmung im Dezember 2022 für die Verlängerung des Covid-19-Gesetzes bis Ende Juni 2024 aus, das seit Inkrafttreten am 25. September 2020 als dringlich erklärt wurde.


Einreisebestimmungen variieren von Land zu Land


«Die einzelnen Länder legen die Bestimmungen zur Einreise […] in ihr Hoheitsgebiet selbst fest», schreibt Simon Ming vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage von Keystone-SDA Ende Februar 2023. Die Staaten entscheiden also selbst, ob sie bei der Einreise ein Covid-Zertifikat verlangen oder nicht.


Das Zertifikat kann den Impfstatus, eine zurückliegende Sars-CoV-2-Infektion oder ein negatives Corona-Testergebnis ausweisen. Sollte für die Einreise in ein Land ein solches Testergebnis verlangt werden, ist demnach ein Zertifikat notwendig - denn einem Impfausweis ist diese Information nicht zu entnehmen.


Der weitere Verlauf der Covid-19-Pandemie lasse sich trotz der aktuellen stabilen Lagen nicht zuverlässig abschätzen, schreibt der BAG-Mediensprecher. Daher verlängerte das Parlament das Covid-19-Gesetz bis Mitte 2024. Mit der Verlängerung von Artikel 6a des Covid-19-Gesetzes zum Impf-, Test- und Genesungsnachweis stellen die Schweizer Behörden die rechtliche Grundlage für das Covid-19-Zertifikat sicher. Entsprechende Verordnungen wurden ebenfalls angepasst.


Wie in der Medienmitteilung des BAG vom 21. Dezember 2022 steht, ist die EU-Verordnung, welche das Covid-19-Zertifikat in der Europäischen Union regelt, bis Sommer 2023 gültig. Es ist unklar, ob die EU diese Verordnung verlängern wird. Die Verlängerung der Covid-19-Verordnung zum Zertifikat bis Ende August 2023 stellt die weitere Kompatibilität mit dem EU-System sicher. Ob das System anschliessend zurückgebaut werde oder nicht, sei von den internationalen Entwicklungen und dem Bedarf der Schweizer Reisenden abhängig, schreibt Ming.


Infektiöse Viruslast nimmt bei Geimpften schneller ab


Geimpfte Menschen infizieren sich deutlich seltener mit Sars-CoV-2 als ungeimpfte. Studien weisen auch darauf hin, dass die Viruslast bei geimpften Infizierten schneller abnimmt.


Bei geimpften Personen werden die infektiösen Virenpartikel aufgrund der Wirksamkeit der Covid-19-Vakzine rasch entschärft. Zurück bleiben beschädigte und ineffektive Partikel - die jedoch von PCR-Tests registriert werden.