29.06.2022 | Faktencheck

Polens Flüchtlingsunterstützung für Ukrainer dauert an

Seit Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 sind mehr als 4,1 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Nachbarland Polen geflohen (Stand Ende Juni 2022). Gemäss UNO ist Polen das Hauptankunftsland für ukrainische Flüchtlinge, wo ihnen aufgrund von entsprechenden Gesetzen umfassende Sozialleistungen gewährt werden. Dafür müssen sich die Geflüchteten beim polnischen Staat registrieren, worauf sie eine sogenannte PESEL-Nummer erhalten.


Blick auf eine Aufnahmestelle für Flüchtlinge aus der Ukraine in der Nähe des Bahnhofs Warszawa Wschodnia (Warschau Ost) am 28. April 2022. Seit dem 24. Februar, als Russland in die Ukraine einmarschierte, haben 2.141.000 Menschen die polnisch-ukrainische Grenze nach Polen überquert, berichtete der Grenzschutz am 22. März morgens. Foto: Keystone-SDA / epa / Leszek Szymanski
Blick auf eine Aufnahmestelle für Flüchtlinge aus der Ukraine in der Nähe des Bahnhofs Warszawa Wschodnia (Warschau Ost) am 28. April 2022. Seit dem 24. Februar, als Russland in die Ukraine einmarschierte, haben 2.141.000 Menschen die polnisch-ukrainische Grenze nach Polen überquert, berichtete der Grenzschutz am 22. März morgens. Foto: Keystone-SDA / epa / Leszek Szymanski
Behauptung

Mit den polnischen Unterstützungsmassnahmen soll bald Schluss sein, so eine im Netz kursierende Behauptung: «Polen stellt sämtliche Sozialleistungen für ukrainische Flüchtlinge ein.» Dies gelte ab dem 1. Juli 2022. Der Artikel suggeriert, dass die polnische Regierung durch die gezeigte Solidarität mit den Geflüchteten an EU-Gelder kommen wollte.

Beurteilung

Der polnische Staat unterstützt aus der Ukraine geflüchtete Menschen weiterhin, der Zugang zu den Sozialleistungen bleibt bestehen. Lediglich eine Unterstützungszahlung für polnischen Bürgerinnen und Bürger, die ukrainische Flüchtlinge beherbergen, läuft Ende Juni 2022 aus. Eine Regelung für Ausnahmefälle wird aktuell von den Behörden erarbeitet.

Sachlage

Polen unterstützt Geflüchtete aus der Ukraine


Polen stellt für ukrainische Flüchtlinge kostenlose Aufenthaltsbescheinigungen aus. Seit dem 24. Februar 2022 können sie sich für 18 Monate legal in Polen aufhalten. Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt wird erleichtert: Geflüchtete aus der Ukraine dürfen ohne offizielle Arbeitserlaubnis nach denselben Grundsätzen wie polnische Bürgerinnen und Bürger erwerbstätig sein. 


Zudem wird den Flüchtlingen Zugang zur medizinischen Versorgung gewährt. Auch auf Sozialleistungen wie Eltern- oder Kindergeld haben Flüchtlinge Anspruch. Stand Mitte Juni 2022 sind an diesen Unterstützungsleistungen keine Änderungen vorgesehen.


Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sind bei Privatpersonen untergekommen. Deswegen hat Warschau eine Gesetzesänderung vorgenommen, wonach polnische Privatpersonen, welche Geflüchtete beherbergen, einen staatlichen Zuschuss beantragen könne. Dieser Zuschuss wurde zuerst für maximal 60 Tage festgesetzt, später auf bis zu maximal 120 Tage ausgeweitet. Der Betrag beläuft sich auf 40 Zloty (PLN) pro Person und Tag (rund 8.65 Schweizer Franken) ab Ankunft des ukrainischen Flüchtlings, welche an die beherbergende polnische Privatperson geht.


Diese Zahlungen sollen Ende Juni 2022 eingestellt werden, wie Vize-Innenminister Paweł Szefernaker Anfang Juni ankündigte. Eine Lösung, die Ausnahmefälle regle, sei noch in Arbeit und soll Ende Juni vorliegen. Mit den Unterstützungsmassnahmen im Bildungs- und Arbeitsbereich, aber auch auf dem Wohnungsmarkt will der Staat den Geflüchteten zur Unabhängigkeit verhelfen. 


Seit Anfang Juni können Ukrainerinnen und Ukrainer nicht mehr beliebig gratis mit dem öffentlichen Verkehr fahren. Ebenfalls sind sie nun verpflichtet, für Fahrten auf der Autobahn Maut zu entrichten.

 

EU-Milliarden dienen zur Bewältigung der Covid-Pandemie


Die EU stellt seinen Mitgliedsstaaten Mittel zur Verfügung, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie abzufedern. Dafür mussten die Staaten einen Plan vorlegen, welcher im Fall von Polen Anfang Juni 2022 von der EU als positiv bewertet wurde. Entsprechend wurden dem Land fast 36 Milliarden Euro zugesprochen.


Von diesen EU-Geldern profitieren Projekte zur Förderung von erneuerbaren Energie, für die Digitalisierung, sowie Reformen zur Förderung von Investition, aber auch Reformen im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt. Mit der polnischen Flüchtlingspolitik im Angesicht des russischen Angriffskrieges hat die Zahlung nichts zu tun.


Die Europäische Union unterstützt sehr wohl Mitgliedsstaaten, welche Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen oder als Transitland fungieren. Insgesamt hat der EU-Rat dafür 3,5 Milliarden Euro gesprochen, welche auf die EU-Länder aufgeteilt werden. Jenen Ländern wie Polen, welche vergleichsweise sehr viele Flüchtlinge beherbergen, wird vom Gesamtbudget mehr Geld zugesprochen.

Quellen

SchweizerZeitung: Artikel mit Falschbehauptung , 07.06.2022 (archiviert)


UNHCR: Daten der Ukrainischen Flüchtlingsbewegung, Stand 21.06.2022 (archiviert)


UNHCR: Daten der Ukrainischen Flüchtlingsbewegung nach Polen, Stand 21.06.2022 (archiviert)


EU: Kommission billigt 35.4 Milliarden Euro für Aufbauplan an Polen, 01.06.2022 (archiviert)


EU: Aufbau- und Resilienzfazilität (archiviert)


EU: Zahlung für EU-Aufnahmeländer von Flüchtlingen aus der Ukraine, 06.04.2022 (archiviert)


Polnische Behörde: Gesetz zur Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge, Stand 01.06.2022 (archiviert)


Polnische Behörden: Gesetzesänderung für Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine, 24.05.2022 (archiviert)


Polnische Behörden: Gesetzesänderung für Flüchtlinge aus der Ukraine, 28.03.2022 (archiviert)


Polnische Behörden: Temporärer Schutz für Flüchtlinge aus der Ukraine, 24.03.2022 (archiviert)


Polnische Behörde: PESEL-Nummer (archiviert)


Polnische Behörde: Verordnung über die Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine, 04.05.2022 (archiviert)


Polnische Behörde: Verordnung über die Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine, 29.04.2022 (archiviert)


Polnische Behörde: Gesetzesänderung zur Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine, 29.04.2022 (archiviert)


Polnische Behörden: Bahnreisen für Flüchtlinge aus der Ukraine, 25.05.2022 (archiviert)


Behörden Krakau: Auszahlung an polnische Bürger für aufgenommene ukrainische Flüchtlinge, 20.06.2022 (archiviert)


Polsat News: Interview mit Paweł Szefernaker, 06.06.2022 (archiviert)


Polsat News: Interview mit Paweł Szefernaker (Video), 06.06.2022 (archiviert, Video archiviert)


PAP: Interview mit Paweł Szefernaker, 06.06.2022 (archiviert)


Rp: Interview mit Paweł Bossernaker, 01.05.2022 (archiviert)


Visit Ukraine: Abschaffung der Gratis-ÖV-Nutzung, 24.05.2022 (archiviert)


Visit Ukraine: Abschaffung Gratis-Maut, 04.06.2022 (archiviert)


Finanzen.ch: Währungsrechner: Polnischer Zloty - Schweizer Franken, Stand 27.06.2022 (archiviert)
 

 

 

 


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