12.10.2022 | Faktencheck

Grenzübergreifende Zusammenarbeit: Frühzeitiges Stromsparen ist durchaus sinnvoll

Die Energieversorgungssicherheit in der Schweiz ist derzeit gegeben, wie der Bund informiert. Trotzdem kann die Lage aufgrund des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Unterbrechungen der Gaslieferungen nach Europa und weiteren Unsicherheiten angespannt werden. Um die Versorgungssicherheit zu stärken, wurden diverse Massnahmen getroffen. Im Ende August 2022 lancierten Appell zum Energiesparen wird unter anderem auch zum Stromsparen aufgefordert.


Hochspannungsleitungsmasten des Schweizer Stromnetzes am 18. September 2022 in Romanel bei Lausanne. Foto: Keystone-SDA / Jean-Christophe Bott
Hochspannungsleitungsmasten des Schweizer Stromnetzes am 18. September 2022 in Romanel bei Lausanne. Foto: Keystone-SDA / Jean-Christophe Bott
Behauptung

Ein Facebook-User echauffiert sich am Energiespar-Appelle des Bundes: «Die Bevölkerung muss Strom sparen, damit die Regierung mehr Strom teuer ins Ausland verkaufen kann». Strom könne angeblich nicht gespeichert werden.

Beurteilung

Mit dem Verkauf der Stromüberschüsse ins Ausland lassen sich dort Erdgasreserven einsparen. Die Schweiz wirkt somit einer möglichen Gasmangellage in Europa entgegen.

Sachlage

Der Strommarkt ist eng mit dem Gasmarkt verbunden. Aufgrund von Wartungsarbeiten in französischen Kernkraftwerken bestehen jedoch Unsicherheit in der Stromversorgung für den kommenden Winter 2022/2023. Es bleibt unklar, wann die französischen Kernkraftwerke für die Stromversorgung zur Verfügung stehen. Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit in Europa wird Erdgas zur Stromerzeugung bedeutsamer. Doch Russland hat Anfang September 2022 die Gaslieferungen nach Europa gestoppt. Gas ist also ein knappes Gut in diesen Winter.


Die Schweiz ist zu 100 Prozent auf Erdgasimporte angewiesen. Dabei wurde Stand 2021 am meisten Gas aus Russland bezogen. Zudem verfügt die Schweiz über keine Erdgasspeicher. Deutschland, worüber die Schweiz drei Viertel der Gaslieferungen bezieht, speichert weiter Gas ein. Der deutsche Gesamtspeicherstand liegt aktuell bei 94 Prozent. Eine Gas-Knappheit könne schnell auf die Stromversorgung übergreifen, schreibt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie (BFE) auf Anfrage von Keystone-SDA.


In den Sommermonaten exportiert die Schweiz überschüssigen Strom. Dadurch kann die Nutzung von Gaswerken im Ausland zur Stromproduktion reduziert werden, was wiederum den Gasverbrauch in Europa mindert. Somit kann mehr Erdgas in Europa gespeichert werden. Dieses Gas kommt dann im Winter für die Stromproduktion oder fürs Heizen zur Anwendung. Insbesondere im Winter ist die Schweiz auf Strom- und Gasimporte angewiesen. Mit den Verkauf der Stromüberschüsse ins Ausland trägt die Schweiz also dazu bei, die europäischen Gasspeicher zu füllen. Somit wirkt die Schweiz einer möglichen Energiemangellage entgegen.


Auch Thomas Hegglin vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie plädiert für die Einsparung von Strom und Gas. Denn wie der Gasmarkt ist auch der Schweizer Strommarkt eng mit Europa verbunden. Wenn Deutschland nicht genügend Strom hat, ergibt sich auch in der Schweiz schnell einen Versorgungsengpass, so Hegglin.


Schliesslich wird durch eine geringere Stromnachfrage auch weniger Wasser aus den Schweizer Stauseen zur Stromproduktion gebraucht. Wird bereits jetzt Strom eingespart, kann hierzulande «mehr Wasser [in den Speicherseen] zurückgehalten werden, das dann im späteren Winter zur Stromproduktion genutzt werden kann. Und es kann in Deutschland mehr Gas gespeichert werden, das dann für den Notfall zur Verfügung steht», begründet die BFE-Kommunikationsverantwortliche Marianne Zünd die Notwendigkeit des frühzeitigen Stromsparens.


Fazit: Mit der Reduktion des Stromverbrauchs und mit dem Verkauf vom Stromüberschüssen ins Ausland wirkt die Schweiz einer möglichen Gasmangellage entgegen.