07.02.2024 | Faktencheck

Ist Künstliche Intelligenz stimmberechtigt?

Im Jahr 2024 finden in mehr als 60 Ländern weltweit Wahlen statt – ein historisches Superwahljahr. Nicht nur das EU-Parlament wird neu gewählt, auch in den grössten Demokratien der Welt wie den USA oder Indien finden Wahlen statt. Dabei wird auch Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen, welches sich in den letzten Jahren zu einem leistungsstarken Werkzeug entwickelt hat. Die Technologie bietet für Wahlen und Demokratien Chancen aber auch Risiken. Bedenken, dass KI für zur Manipulation von Wahlen benutzt werden, ist Gegenstand der Forschung und wird in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Gemäss den neusten Analysen der globalen Risiken des World Economic Forum zählt KI-generierte Desinformation derzeit zu den grössten Risiken und Herausforderungen. Mit KI lässt sich nicht nur Desinformation generieren, der Einsatz von KI mit all seinen Möglichkeiten ist vielfältig. Kann KI künftig gar Wahlen überflüssig machen mit seinen analytischen Fähigkeiten? 


Eine Stimmenzählerin hält am Abstimmungssonntag vom 18. Oktober 20215 während der Auszählung der Stimmzettel in der Stadt Zug einen roten Zettel mit der Aufschrift
Eine Stimmenzählerin hält am Abstimmungssonntag vom 18. Oktober 20215 während der Auszählung der Stimmzettel in der Stadt Zug einen roten Zettel mit der Aufschrift "brauche Hilfe" in die Höhe. Foto: Keystone-SDA / Alexandra Wey
Behauptung

Beim jüngsten Jahrestreffen des World Economic Forums (WEF) in Davos soll dessen Gründer Klaus Schwab gemäss Behauptungen in den sozialen Medien «verkündet» haben, Wahlen seien künftig überflüssig, weil Künstliche Intelligenz die Stimmverteilung vorausberechnen werde. Als vermeintlicher Beweis dient ein Videoausschnitt, in dem Schwab mit Google-Gründer Sergey Brin diskutiert. Stimmt das?

Beurteilung

Der Diskurs zwischen Schwab um Brin fand am WEF 2017 statt. Dabei fragte Schwab den Google-Gründer, ob er sich in Zukunft eine Welt vorstellen könne, in der Künstliche Intelligenz Wahlergebnisse vorhersage. Im Originalvideo wird klar, dass es sich um einen hypothetischen Diskurs mit einem imaginären Szenario handelt, das Schwab nicht befürwortet. 
 

Sachlage

Der Diskurs zwischen Schwab und dem Informatiker und Unternehmer Sergej Brin fand am WEF-Jahrestreffen 2017 in Davos statt. In der etwa halbstündigen Originalaufzeichnung wird deutlich, dass sich das Gespräch um mögliche zukünftige Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz drehte.


Schwab leitete seine Frage mit den Sätzen ein: «Eine Befürchtung, die ich gehört habe, ist, dass digitale Technologien vor allem eine analytische Kraft haben. Jetzt gehen wir in eine Vorhersagekraft über (...) Doch dann könnte der nächste Schritt darin bestehen, in einen präskriptiven Modus zu gehen.» (Im englischen Original: «One fear which I have heard is the technology now is, the digital technologies mainly have an analytical power. Now we go into a predictive power (...) But then the next step could be to go into a prescriptive mode.»


Anschliessend beschreibt Schwab ein mögliches Zukunftsszenario, wie möglicherweise KI eingesetzt werden könne: «Was bedeutet, dass man nicht einmal mehr Wahlen durchführen müssen, weil man bereits vorhersagen können – und hinterher könne man sagen: Warum brauchen wir Wahlen? Weil wir doch wissen, wie das Ergebnis aussehen würde.» (Im englischen Original: «Which means you do not even have to have elections any more because you can already predict - and afterwards you can say: Why do we need elections? Because we know what the result will be.»)


Anschliessend fragt Schwab Brin, ob er sich eine solche Welt vorstellen könne. (Im englischen Original: «Can you imagine such a world?») Der Videoausschnitt, welcher in den sozialen Medien kursiert, wurde verkürzt. So wurde die abschliessende Frage Schwabs sowie die einleitenden Worte («Eine Befürchtung, die ich gehört habe …») herausgeschnitten.


Im originalen Interview wird klar, dass Schwab einen offenen Diskurs über die möglichen Einsatzgebiete von KI in der Zukunft anstösst. Eine konkrete Forderung bezüglich einer Abschaffung von Wahlen wird nicht gestellt. Brin vertieft im Gespräch das hypothetische Zukunftsszenario und fragt wiederum, warum wir denn Beamten bräuchten, wenn die Entscheidungen bereits für uns getroffen würden.


Brin stellt fest, dass sie sich mit einem derartigen Szenario mit tiefgründigen Fragen befassen würden. Dies macht auch deutlich, dass auch Brin nicht fordert, dass ein derartiges Szenario Realität werde. Während des Interviews äusserte Brin, dass es fast unmöglich sei, technische Entwicklungen vorherzusagen, da dies eher chaotisch ablaufe.


Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im politischen Bereich und bei Wahlen wird in Artikeln auf der Webseite des WEF thematisiert. Dabei geht es jeweils um die Chancen und Risiken der Technologie.