23.11.2022 | Faktencheck

Keine Hinweise auf Wahlbetrug in Brasilien

Die Vereinte Nation (UNO) prangerte im April 2022 die Erosion der Demokratie in Brasilien an. Gemäss dem International Institute for Democracy and Electoral Assistance (International IDEA) nahm auch die politische Polarisierung zu. Die brasilianischen Präsidentschaftswahlen 2022 fanden folglich in einem schwierigen politischen Umfeld und unter gesellschaftliche Spannungen statt. Bis zum Wahltermin war unklar, ob der amtierende Präsident Jair Bolsonaro eine Niederlage bei der brasilianischen Präsidentschaftswahl akzeptieren würde. Die Stichwahl Ende Oktober 2022 entschied sein Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva dann für sich. 


In der Schweiz lebende brasilianische Staatsangehörige konnten am 30. Oktober 2022 in Genf den Präsidenten wählen. Foto: Keystone-SDA / Martial Trezzini
In der Schweiz lebende brasilianische Staatsangehörige konnten am 30. Oktober 2022 in Genf den Präsidenten wählen. Foto: Keystone-SDA / Martial Trezzini
Behauptung

Die Wahlergebnisse und somit der Sieg Lula’s werden in diversen Social-Media-Kanälen angezweifelt: Angeblich seien elektronische Wahlurnen manipuliert worden. Weiter wird behauptet, dass der Oberste Gerichtshof Brasiliens die Prozesse annulliert hätte, in denen der künftige Präsident verurteilt wurde. Der Gerichtshof hätte zudem ein Zensurgesetz geschaffen, welches verbiete darüber zu sprechen, dass Lula ein Ex-Sträfling ist. Stimmt das?

Beurteilung

Es gibt keine Hinweise auf Wahlmanipulationen bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen in Brasilien. Das brasilianische Wahlgericht ging gegen Vorwürfe ohne Beweise sowie gezielte Falschinformation vor, um die Integrität des Wahlprozesses zu wahren. Das Strafverfahren gegen den künftigen Präsidenten Lula da Silva wurde aufgrund von rechtswidrigen Verfahrensmethoden eingestellt.

Sachlage

Internationale Wahlbeobachter bescheinigen die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der brasilianischen Präsidentschaftswahlen. Das brasilianische Verteidigungsministerium stellte zwar keine Unregelmässigkeiten fest, wies aber auf mögliche Sicherheitslücken hin.


Das International Institute for Democracy and Electoral Assistance (International IDEA), erkannte das Wahlergebnis an und lobte die Arbeit des brasilianischen Wahlgerichts und die verwendeten elektronischen Wahlurnen. Die Schweiz ist Mitglied der Organisation und gratulierte Lula bereits zum Wahlsieg.


Das International IDEA berichtet, dass während des Wahlkampfes versucht wurde, die Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses zur unterwandert. Zudem sei massiv Falschinformation verbreitet worden.


Brasiliens Anstrengungen gegen Desinformation


Gegen verleumderische, beleidigende oder betrügerische Inhalte, welche die Integrität des Wahlprozesses gefährdeten, ging das brasilianische Wahlgericht vor. Artikel 323 des brasilianischen Wahlgesetzbuchs sieht bei der bewussten Verbreitung von Falschinformation über Kandidaten und Parteien Haft- oder Geldstrafen vor.


Zudem nahm das Gericht am 20. Oktober 2022 eine Resolution an (Download-Link), welche die Entfernung von verleumderischen oder betrügerischen Inhalten festlegte. Von der Resolution waren Medienberichte zufolge beide Kampagnen betroffen. Reporter ohne Grenzen berichtete ebenfalls von Desinformationskampagnen während des Wahlkampfes und der Einschränkung der Pressefreiheit. Gemäss dem brasilianischen Wahlgericht sei die  Verbreitung von Desinformation insbesondere in der letzten Phase des Wahlkampfs im Oktober gestiegen.


Das Gericht ging auch gegen unbewiesene Anschuldigungen gegen die Kandidaten vor. Dies betraf unter anderem Inhalte, welche Lula mit Drogen oder Mord in Verbindung brachte.


Luiz Inácio Lula da Silva war von 2003 bis 2010 bereits Präsident von Brasilien. Im Jahr 2016 begannen Ermittlungen gegen Lula wegen Korruption. Dabei kamen rechtswidrige Methoden zum Einsatz. So wurde gegen Lulas Recht auf Privatsphäre und sein Recht auf Unschuldsvermutung verstossen, wie der UN-Menschenrechtsausschuss feststellte. Das Verfahren sei nicht ordentlich verlaufen, zudem sei der damalige Richter voreingenommen gewesen. Das Oberste Bundesgericht hob Lulas Urteil im Jahr 2021 auf und stellte das Verfahren ein.

Quellen

Telegram-Post (archiviert)


Tweet vom Schweizer Botschafter, 31.10.2022 (archiviert)


Swissinfo: EDA gratuliert Lula, 31.10.2022 (archiviert)


UNO: Erosion der Demokratie in Brasilien, 11.04.2022 (archiviert)


bpb: Wahlen in Brasilien 2022 (archiviert)


TSE: Lula als Präsident gewählt, 30.10.2022 (archiviert)


Brasilianische Behörde: Verteidigungsministerium findet keine Wahlbetrugshinweise, 10.11.2022 (archiviert)


TSE: Brasilianisches Gericht geht gegen Vorwürfe ohne Beweise vor, 20.0.1.2022 (archiviert)


TSE: Brasilianisches Gericht geht gegen Falschinformation vor, 20.10.2022 (archiviert)


TSE: Brasilianisches Wahlgericht ergreift Massnahmen zur Eindämmung von Falschinformation, 22.10.2022 (archiviert)


TSE: Wahlgesetzbuch (archiviert)


TSE: Resolution, 20.10.2022 (Download)


Reuters: Brasilianisches Wahlgericht geht gegen Desinformation vor, 21.10.2022 (archiviert)


TSE: Internationale und brasilianische Gremien bescheinigen die Zuverlässigkeit der Wahlen, 10.11.2022 (archiviert)


TSE: Bericht des brasilianischen Verteidigungsministeriums, 9.11.2022 (archiviert)


IDEA International: Bericht zu den brasilianischen Präsidentschaftswahlen, 31.10.2022 (archiviert)


IDEA International: Mitgliedsstaaten (archiviert)


RSF: Brasilien (archiviert)


RSF: Wiederwahl Bolsonares wäre fatal, 30.09.2022 (archiviert)


UNO: Medienmitteilung zum rechtswidrigen Strafverfahren gegen Lula da Silva, 28.04.2022 (archiviert)


UNO: Verfahren gegen Lula verstösst gegen rechtsstaatliches Verfahren, 28.04.2022 (archiviert)

 

 

 

 

 


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