15.12.2021 | Notice

Interview Jann Jenatsch, deputy managing director of Keystone-SDA

In an interview with persoenlich, Jann Jenatsch, deputy managing director of Keystone-SDA, talks about the planned European Newsroom, the upcoming vote on the media law and positive signals from customers.      


Photo: Keystone-SDA / Alessandro della Valle
Photo: Keystone-SDA / Alessandro della Valle

 


Excerpt from the interview with persoenlich.com, published on 13.12.2021.  

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Herr Jenatsch, 16 Nachrichtenagenturen aus 15 Ländern planen einen europäischen Newsroom in Brüssel, der über EU-Themen berichtet. Weshalb beteiligt sich auch Keystone-SDA? Was erhoffen Sie sich davon?
Keystone-SDA verfügt über eine eigene Korrespondentin in Brüssel, die aus Schweizer Sicht über die EU berichtet. Wir erachten es als äusserst sinnvoll, wenn sich die europäischen Nachrichtenagenturen – und wir zählen uns auch dazu – am europäischen Newsroom beteiligen. 

Die DPA, die den Projektlead hat, betont die Vielfalt, die durch die nationalen Blickwinkel auf Europa entstehen würden. Was kann Keystone-SDA einbringen?
Eine wertvolle Aussensicht. Diese ist sehr wichtig, nicht nur aufgrund der aktuellen Verhandlungen in Bezug auf das Rahmenabkommen. Die mehrfach angesprochene Vielfalt, also das Zusammenbringen von verschiedenen Perspektiven, ist für eine qualitativ hochstehende und kritische Begleitung der EU-Politik von höchster Relevanz. Was für Brüssel gilt, sehen wir nicht zuletzt auch in der Schweiz. Hierzulande unterhalten wir zwölf Regionalbüros. Ohne eine Berichterstattung vor Ort würde anders über die Schweiz informiert.

Es wäre der erste gemeinsame Newsroom in Europa. Inwiefern wäre dieses Pionierprojekt ein Meilenstein im Journalismus?
Es zeigt sich auch auf anderen Gebieten, wie die Zusammenarbeit von internationalen Nachrichtenagenturen immer wichtiger wird. Die Plattform Minds ist ein solches Beispiel. Hier tauschen sich die internationalen Agenturen über Technologie und Strategie aus, hier werden Ideen formuliert und gemeinsame Projekte entwickelt. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Projekt für den gemeinsamen EU-Newsroom hier seinen Ursprung hatte.

Das Projekt soll mit knapp 1,8 Millionen Euro von der EU-Kommission gefördert werden. Was entgegnen Sie kritischen Stimmen, darunter leide die Unabhängigkeit?
Mit dem europäischen Informationsraum soll der Zugang zu hochwertigen Informationen erhöht werden. Nicht mehr und nicht weniger. Um die journalistische Unabhängigkeit zu gewährleisten, wird es auch mit der EU-Kommission eine Leistungsvereinbarung geben. Keystone-SDA hat mit einer solchen Leistungsvereinbarung, die mit dem Bakom besteht, gute Erfahrungen gemacht.

Im Januar soll bereits die Umsetzung starten. Werden Sie Keystone-SDA vertreten? Mögen Sie uns bereits in die Grobplanungen einweihen?
Wie bereits zu lesen war, werden unter anderem Weiterbildungsangebote für Journalistinnen und Journalisten und eine neue mehrsprachige Website mit ausgewählten Texten der Nachrichtenagenturen zu EU-Themen aufgebaut. Über weitere Insights werde ich Sie gerne informieren, sobald diese spruchreif sind.

Welche Auswirkungen hätte dieser Newsroom für die Auslandjournalisten von Keystone-SDA? Ist ein Ausbau geplant?
Wie erwähnt unterhält Keystone-SDA bereits seit Jahren eine Vertretung in Brüssel. Unser Engagement wird in diesem Umfang weiterbestehen.

Was bedeutet dieser Newsroom eigentlich für die seit 2019 gehegten Pläne, die Produktion des international-deutschsprachigen Dienstes an den Partner DPA auszulagern? Und wie steht es um diese Pläne generell?
Wir haben eine enge Kooperation mit DPA. Der Auslanddienst wird direkt von DPA produziert, wir greifen ein, wo eine Schweizer Sicht notwendig ist oder sich eine entsprechende Einordnung aufdrängt.  

Sie haben mehrfach betont, dass eine Integration von Keystone-SDA in die SRG kaum mehrheitsfähig sei. Halten Sie daran fest?
Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass eine Integration von Keystone-SDA in die SRG keine gute Idee ist. Auch hier ist eine Vielfalt der Perspektiven gefragt. Das Zusammenlegen von Redaktionen führt meist zum Gegenteil. Für die demokratische Meinungsbildung ist ein möglichst grosses Informationsspektrum von Vorteil. 

Die SP hat nun Pläne, die SRG zu einer nationalen Nachrichtenagentur zu machen. Hand aufs Herz, was war Ihre erste Reaktion darauf? Immerhin wird damit die Daseinsberechtigung von Keystone-SDA infrage gestellt ...
Das Bekenntnis zur Nachrichtenagentur, das diesen Sommer vom Parlament verabschiedet wurde und am 13. Februar 2022 bei der Abstimmung über das Mediengesetz vors Volk kommt, ist unbestritten, nicht nur in der Politik, sondern auch in der Branche.

Ist eine Kooperation mit der SRG im Rahmen einer gemeinsamen nationalen Agentur weiterhin kein Thema?
Kooperationen mit anderen Medien, auch mit der SRG, sind durchaus möglich. Dazu werden auch immer wieder Gespräche geführt. Doch muss ich auch hier noch einmal bekräftigen: Das Informationsspektrum in der Schweiz darf nicht beschnitten werden, im Gegenteil. Die Medienvielfalt ist für unser demokratisches System von gesellschaftspolitischer Relevanz.

Anfang Jahr haben Sie in einem persoenlich.com-Interview bestätigt, dass die finanzielle Lage von Keystone-SDA ernst sei. Inwiefern hat sich die Situation durch die Pandemie weiter verschärft?
Die Nachrichtenagentur ist ein Spiegel der gesamten Medienlandschaft. Wenn die Branche hustet, führt das bei uns zu einer Erkältung. Gerade in ausserordentlichen Situationen zeigt sich, wie wichtig die strukturelle Verlässlichkeit der Nachrichtenagentur ist. Keystone-SDA hat während der Pandemie zu jeder Zeit eine unterbrechungsfreie Berichterstattung garantiert – unsere Kunden haben es uns gedankt. Zu erwähnen ist, dass wir ab 2022 mit Ringier einen grossen Medienkunden im Sport zurückgewonnen haben. Das sind trotz allem sehr positive Signale.

Umso wichtiger dürfte für Sie ein Ja zum Medienpaket sein, das auch Fördermassnahmen für die Nachrichtenagentur vorsieht. Welche Konsequenzen hätte ein Nein am 13. Februar für Keystone-SDA?
Es ist wichtig, dass die jetzige Förderung durch das Bakom auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird. Das positive Bekenntnis des Parlaments und der Medienministerin Simonetta Sommaruga zur Nachrichtenagentur freut uns sehr. Mit der Abstimmung wird über ein ganzes Paket abgestimmt, die Nachrichtenagentur ist Teil davon. In den Abstimmungsdiskussionen nehmen die Frühzustellung von Zeitungen und die Förderung von Onlinemedien viel Platz ein. Die Förderung von Agenturleistungen, Ausbildungen und digitalen Infrastrukturen, jedoch auch die vorgesehene Unterstützung des Presserates werden nicht gross diskutiert, was schade ist.

Immerhin wird die Nachrichtenagentur seit 2021 mit 4 statt 2 Millionen Franken vom Bund unterstützt. Wie erklären Sie es dem Steuerzahler, dass Keystone-SDA noch stärker gefördert werden soll?
Die einheimischen Medien sehen sich mit einem beträchtlichen Einbruch an Werbeeinnahmen konfrontiert. Das führt zu rigorosen Sparmassnahmen, zu Zusammenlegungen von Redaktionen und zu einem Rückgang der Medienvielfalt. Die Nachrichtenagentur bekommt diesen Druck direkt zu spüren. In den letzten Jahren haben wir intensive Kostensenkungsmassnahmen umgesetzt. Doch eine zuverlässige und gesicherte Information, eine Grundversorgung in allen Formaten, aus allen Regionen und in drei Sprachen, braucht zwingend entsprechende Ressourcen.

Seit Anfang Jahr bieten Sie Ihren Textdienst neu Kleinstverlagen an. Wie nahe sind Sie Ihrem Ziel von einer Branchenlösung mit möglichst allen Verlagen?
Das Angebot für Kleinstverlage zeigt erste Erfolge. Wir versuchen damit, ein vorhandenes Bedürfnis zu bedienen und die Medienvielfalt in unserem Land zu unterstützen. Doch genauso wichtig wie die Kleinstverlage sind auch die grossen Verlage. Während die Nachrichtenagentur für die mittleren und kleineren Medienkunden überlebenswichtig ist, sehen die grossen Medienkunden die Agentur als modularen Anbieter. Diesen unterschiedlichen Ansprüchen wollen wir auch in Zukunft gerecht werden.   

Die Zusammenarbeit mit Kleinstverlagen dürfte den Wegfall vieler grosser Medienhäuser als Kunden für SDA-Meldungen kaum kompensieren. Sind also bereits weitere Projekte geplant?
Wir haben ein Projekt gestartet, das unser Angebot durchleuchtet. Aufbauend auf den Anforderungen des Marktes sollen das künftige Angebot sowie die daraus resultierenden Produktionsprozesse optimiert werden. Zusätzlich zu einem marktorientierten Inhaltsangebot soll der redaktionelle Handlungsspielraum vergrössert und damit Freiraum zur Weiterentwicklung der Agentur geschaffen werden. Als Nachrichtenagentur wollen wir allen Medienunternehmen in der Schweiz auch in Zukunft einen attraktiven Nachrichtendienst, eine verlässliche und ansprechende Grundversorgung, bieten.